GIG Karasek Insights

Effiziente Abwärmenutzung: Industriewärmepumpen als Motor der Energiewende

Geschrieben von Josef Grassauer | May 21, 2025 7:53:04 AM

Ein vielversprechender Ansatz ist die Nutzung industrieller Abwärme, die sich mithilfe moderner Wärmepumpensysteme effizient aufbereiten und in den Produktionskreislauf zurückführen lässt. Gerade im Niedertemperatur-bereich bestehen erhebliche ungenutzte Potenziale, die durch innovative Technologien erschlossen werden können.

Inhalte 

 

1. Klimaziele und die Rolle der Industrie

2. Dekarbonisierung der Industrie beginnt bei Prozesswärme

3. Prozesswärme zurückgewinnen: Nutzungspfade für industrielle Abwärme

4. Industrielle Abwärme als strategische Ressource der Wärmewende

5. 300 TWh wirtschaftlich nutzbare Abwärme in Europa

6. Industriewärmepumpen: Schlüsseltechnologie für eine klimafreundliche Industrie

7. Die Potenziale fortschrittlicher Wärmepumpen

8. Einsparpotenziale für Prozesswärme in energieintensiven Sektoren

9. Politische Rahmenbedingungen zur Förderung industrieller Abwärmenutzung

10. Förderprogramme zur Abwärmenutzung in der Industrie

11. Das Dilemma nachhaltiger Investitionen in kurzfristigen Planungshorizonten

12. Fazit: Abwärmenutzung im Wandel - Vom Nice-to-have zum strategischen Muss

 

 

Klimaziele und die Rolle der Industrie


Der Einsatz fossiler Brennstoffe und die daraus resultierenden Treibhausgasemissionen (THG) gelten als Hauptursache der globalen Erwärmung. Um die vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen, müssen fossile Energieträger schrittweise durch erneuerbare Energiequellen ersetzt werden. Eine Voraussetzung für die angestrebte Klimaneutralität bis 2050 ist daher die umfassende Transformation hin zu nachhaltigen Energiesystemen. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Industrie zu: Sie ist in den EU-28-Staaten für 20 % der THG-Emissionen1 und 25 % des Endenergieverbrauchs2 verantwortlich.


Abbildung 1: Treibhausgasemissionen nach Ländern und Sektoren. Quelle: Europäische Umweltagentur

 

Dekarbonisierung der Industrie beginnt bei der Prozesswärme

 

Der Großteil des industriellen Endenergiebedarfs entfällt auf Prozesswärme, die bislang überwiegend mit fossilen Brennstoffen erzeugt wird. Die effiziente Nutzung und nachhaltige Bereitstellung von Wärme sollte daher im Mittelpunkt der industriellen Dekarbonisierungsstrategie stehen. Ein Instrument für diese Transformation ist die Nutzung industrieller Abwärme, die den Einsatz fossiler Energieträger für die Bereitstellung von Prozesswärme deutlich reduzieren kann.

Abwärme fällt bei nahezu allen thermischen Prozessen an: Wenn eine Papierfabrik Dampf in die Luft abgibt oder eine Chemieanlage erwärmtes Kühlwasser ableitet, dann geht Wärme verloren, die eigentlich genutzt werden könnte. In der EU verpuffen jährlich 20–50 % der in der Industrie eingesetzten Energie als Abwärme in die Umwelt.3 Doch nicht nur die Wärme selbst geht verloren, zusätzlich wird Energie für Lüftungssysteme, Kühlung, Pumpen und andere Aggregate aufgewendet, um Abwärme aus den Produktionsanlagen abzuführen – eine enorme Verschwendung wertvoller Energie.

 

Abbildung 2: Aufschlüsselung des Gesamtenergiebedarfs in der europäischen Industrie nach allgemeinen Anwendungen (links) und des Prozesswärmebedarfs nach Temperaturniveau (Mitte) und Energiequelle (rechts) (EE = erneuerbare Energiequellen). Adaptiert nach 4  5

 

Prozesswärme zurückgewinnen: Nutzungspfade für industrielle Abwärme


Die industrielle Abwärmenutzung ist ein oft unterschätzter Baustein für eine erfolgreiche Wärmewende. Allein im Niedertemperaturbereich (<100°C), aber auch im Temperaturbereich von bis zu 200°C, schlummert ein enormes Potenzial zur Dekarbonisierung der Prozesswärme, das bisher kaum genutzt wird.

Das Kaskadenprinzip der Abwärmenutzung

 

Die industrielle Abwärmenutzung folgt heute vorwiegend dem Kaskadenprinzip: Hochtemperaturabwärme wird stufenweise in Prozessen mit geringerem Temperaturbedarf weiterverwendet. Allerdings fallen dabei am Ende der Nutzungskette häufig große Mengen an Abwärme in einem Temperaturbereich an, für die sich werkseitig oft keine direkte Verwendungsmöglichkeit findet.

Eine Lösung zur Verwertung dieser Abwärmeströme bieten Wärmepumpen: Sie heben verfügbare Abwärme auf ein höheres Temperaturniveau an und ermöglichen so eine Wiedereinspeisung in industrielle Prozesse – etwa als Prozessdampf. Alternativ kann die Abwärme auch in lokale Wärmenetze integriert werden, wenn keine betriebsinterne Verwertung möglich ist.

Abbildung 3: Die Abwärme eines Prozesses wird zur Versorgung nachgelagerter Prozesse mit niedrigerem Temperaturniveau genutzt. Übrig bleibt Niedertemperaturabwärme, die durch den Einsatz von Wärmepumpen genutzt werden kann, anstatt verloren zu gehen. © GIG Karasek

Drei Wege zur optimalen Abwärmenutzung

 

Je nach Struktur und Anforderungen des Produktionsprozesses bieten sich somit verschiedene Ansätze zur Abwärmenutzung an:

  • Prozessinterne Nutzung: Rückführung der Abwärme innerhalb desselben Produktionsschritts (z. B. Abwärme aus Rauchgas zur Vorwärmung von Verbrennungsluft).
  • Betriebsinterne Nutzung: Weiterverwendung in anderen Prozessen oder zur Gebäudeheizung und Warmwasserbereitung (ggf. unter Einsatz von Wärmepumpen).
  • Externe Nutzung: Einspeisung in Nah- oder Fernwärmenetze, falls intern keine Abnahme möglich ist.

Für die prozess- und betriebsinterne Nutzung kommen vor allem Wärmetauscher oder – bei Abwärmetemperaturen über 150 °C – Dampferzeuger zum Einsatz. Wärmepumpen sind ideal für die Aufwertung von Abwärme, die nicht direkt genutzt werden kann.

 

Industrielle Abwärme als strategische Ressource der Wärmewende


In der Vergangenheit waren Energie- und CO₂-Preise niedrig – entsprechend gering war der Anreiz, das Potenzial der Abwärmenutzung konsequent auszuschöpfen: Investitionen mussten sich innerhalb von ein bis zwei Jahren amortisieren, und der politische Druck zur Dekarbonisierung war begrenzt. Energieeffizienzprojekte wurden daher oft zugunsten von Maßnahmen mit kurzfristig höherem wirtschaftlichem Ertrag vernachlässigt. So galt es etwa als rentabler, eine zusätzliche Produktionslinie mit fossiler Energie zu betreiben, als den Verbrauch auf einer bestehenden Linie zu optimieren.

Doch die Zeiten haben sich verändert – sowohl politisch als auch ökonomisch und technologisch:

1. Klimapolitische Veränderungen

 

  • CO₂-Bepreisung: Der EU-ETS-Preis wird ab 2027 vollständig vom Markt bestimmt – Prognosen erwarten 150-200 €/t bis 2030.6 7  
  • Emissionshandel: Der schrittweise Wegfall der kostenlosen Zertifikate bis 2034 erhöht die Betriebskosten und verstärkt den internationalen Wettbewerbsdruck – neue Geschäftsmodelle und Dekarbonisierungsstrategien werden zunehmend notwendig.8

2. Energiewirtschaftliche Risiken


  • Importabhängigkeit: Geopolitische Spannungen offenbaren die Vulnerabilität fossiler Lieferketten.
  • Preisdynamik: Extremvolatile Energiepreise (z.B. +1000% bei Gas 2022) gefährden die Planungssicherheit.

3. Technologische Fortschritte

 

  • Wärmepumpen: Neuentwicklungen erreichen nun etwa 200°C und machen Niedertemperaturabwärme nutzbar.
  • Systemintegration: Modulare Anlagenkonzepte ermöglichen eine flexible Einbindung in Produktionsprozesse.

Zugleich verbessern staatliche Förderprogramme die Wirtschaftlichkeit von Effizienzmaßnahmen. Damit wird Abwärmenutzung zunehmend zum strategischen Vorteil:

  • CO₂-Reduktion: Unternehmen senken ihren ökologischen Fußabdruck und minimieren finanzielle Risiken durch steigende Emissionspreise.
  • Höhere Energieeffizienz: Der Primärenergiebedarf sinkt, fossile Brennstoffe werden eingespart.
  • Kostensenkung: Geringerer Energieverbrauch reduziert die Betriebskosten deutlich.
  • Wettbewerbsvorteil: Einsparungen können in die Preisgestaltung einfließen und Marktanteile sichern.
  • Förderfähigkeit: Energieeffiziente Betriebe profitieren bei Förderprogrammen, Partnerschaften und Ausschreibungen – und stärken ihr Nachhaltigkeitsprofil.

Besonders für energieintensive Branchen ist die Nutzung industrieller Abwärme heute mehr denn je ein Schlüssel zur Dekarbonisierung, zur Kostensenkung und zur Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit.

 

300 TWh wirtschaftlich nutzbare Abwärme in Europa

 

Die europäische Industrie verfügt über erhebliche ungenutzte Wärmeressourcen. Aktuelle Studien belegen signifikante Abwärmepotenziale, deren Erschließung einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten könnte:

  • EU-weit wird das technische Abwärmepotenzial auf jährlich 920 TWh9 geschätzt – davon sind etwa 300 TWh10 wirtschaftlich nutzbar. Das entspricht 40 % des industriellen Prozesswärmebedarfs bei Temperaturen unter 200 °C (siehe Abb. 2) oder 10 % des Heizbedarfs europäischer Wohngebäude.
  • In Deutschland beziffert das Fraunhofer-Institut das technisch verfügbare Abwärmepotenzial auf 67 TWh pro Jahr (etwa 15 % des industriellen Wärmeverbrauchs).11
  • Österreich verfügt über ein ähnlich bedeutendes Potenzial: Im Projekt „Industrial Excess Heat“ wurden 34 TWh ermittelt (rund ein Drittel des nationalen Wärmebedarfs).12

Moderne Wärmepumpen- und Wärmerückgewinnungssysteme bieten heute technisch ausgereifte Lösungen, um diese Energiepotenziale sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll zu erschließen.

 

Industriewärmepumpen: Schlüsseltechnologie für eine klimaneutrale Industrie


Industriewärmepumpen ermöglichen die energieeffiziente Bereitstellung von Prozesswärme, indem sie Abwärme aus Produktionsprozessen wieder in den Kreislauf zurückführen. Angetrieben mit Strom, bieten sie eine zukunftsweisende Alternative zu fossilen Energieträgern und ebnen den Weg für eine Elektrifizierung industrieller Wärmeversorgung. Mit dem steigenden Anteil erneuerbarer Energien im Strommix verbessert sich die Klimabilanz von Wärmepumpen kontinuierlich. Bereits heute ermöglichen moderne Systeme eine signifikante CO₂-Minderung – in einem vollständig dekarbonisierten Energiesystem werden Industriewärmepumpen zur Null-Emissions-Technologie.

Wirtschaftlichkeit durch Energiezirkularität und Kostensenkung

 

Der Einsatz von Industriewärmepumpen schafft hohe Energiezirkularität und steigert die Gesamtprozesseffizienz:13

  • Energieeffizienz: Bis zu 80 % höhere Ausnutzung der Primärenergie
  • Kostensenkung: Bis zu 20 % geringere Produktionskosten
  • CO₂-Reduktion: Bis zu 75 % weniger Emissionen durch Substitution fossiler Brennstoffe

Investitionen amortisieren sich durch diese Einsparpotenziale meist innerhalb von 2–5 Jahren. Wenn gleichzeitig Kühlbedarf besteht, erhöht sich der Gesamtwirkungsgrad deutlich, während zusätzliche Investitionen in separate Kühlsysteme entfallen.

Effizienzkennzahl COP als zentrale Entscheidungsgröße


Ein Maßstab für die Wirtschaftlichkeit der Wärmepumpe ist die sogenannte Leistungszahl (Coefficient of Performance, COP). Sie beschreibt das Verhältnis von erzeugter Wärme zur eingesetzten elektrischen Energie. Je höher der COP, desto effizienter arbeitet die Wärmepumpe – und desto geringer sind die Betriebskosten.

  • COP ≥ 4: wirtschaftlich besonders attraktiv
  • COP < 2,5: wirtschaftlich oft nicht mehr sinnvoll, da sich die Amortisationszeit stark verlängert

COP-Werte von über 10 oder sogar 30 sind unter günstigen Bedingungen in industriellen Anwendungen technisch realisierbar – insbesondere bei Prozessen mit geringer Siedepunkterhöhung oder parallelem Kühlbedarf. Selbst bei COP-Werten unter 2,5 können Investitionen in Wärmepumpen wirtschaftlich attraktiv sein, sofern Einsparungen bei Kühlkosten, CO₂-Zertifikaten und staatliche Förderprogramme die Gesamtrentabilität verbessern. Auch stabilere Energiepreise wirken sich langfristig positiv aus.

 

Die Potenziale fortschrittlicher Wärmepumpen


Industriewärmepumpen erreichen heute Temperaturen bis etwa 200 °C und erschließen damit neue Einsatzfelder in der industriellen Prozesswärmeversorgung. Trotz technologischer Fortschritte sind sie jedoch in der Industrie noch wenig verbreitet – dabei könnten sie bis zu 37 % des industriellen Prozesswärmebedarfes in Europa decken und erhebliche CO₂-Emissionen einsparen:14 15

  • Bis 100 °C: 222 TWh/a und 51 Mio. Tonnen/Jahr CO₂-Reduktion.
  • 100–200 °C: zusätzlich 508 TWh/a und 95 Mio. Tonnen/Jahr CO₂-Einsparung.

Abbildung 4: Potenzial von Industriewärmepumpen zur Deckung des Prozesswärmebedarfes durch Abwärmenutzung. © GIG Karasek

 

Einsparpotenziale für Prozesswärme in energieintensiven Sektoren


Industriezweige mit hohem und kontinuierlichem Abwärmeanfall bieten besonders günstige Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Einsatz von Industriewärmepumpen. Dazu zählen unter anderem die Baustoff-, Stahl-, Papier-, Lebensmittel- sowie die chemische Industrie. Der Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen könnte in diesen Sektoren einen wesentlichen Teil des Prozesswärmebedarfes klimafreundlich decken und damit deutliche Wettbewerbsvorteile schaffen.

Studien zeigen ein beachtliches Einsparpotenzial durch Wärmepumpen.15 16 

  • Papier- und Zellstoffindustrie: ~ 230 TWh pro Jahr
  • Lebensmittel- und Getränkeindustrie: ~ 123 TWh pro Jahr
  • Chemische Industrie: ~ 119 TWh pro Jahr
  • Nichtmetallische Mineralien: ~ 43 TWh pro Jahr
  • Maschinenbau: ~ 41 TWh pro Jahr

Ein besonders großes Potenzial besteht in der Lebensmittel-, Papier- und Chemieindustrie, wie Abbildung 5 verdeutlicht. Der positive Zahlenbereich im Diagramm stellt das Angebot an Abwärme dar, der negative den jeweiligen Prozesswärmebedarf. Die darunterliegenden Pfeile veranschaulichen den Temperaturhub, der mit Wärmepumpen realisiert werden kann.17 18

Abbildung 5: Abwärmeverfügbarkeit und Prozesswärmebedarf in ausgewählten Sektoren auf Ebene der EU28. Quelle: Agora Industrie, FutureCamp (2022) auf Basis von Marina et al. (2021).

 

Politische Rahmenbedingungen zur Förderung industrieller Abwärmenutzung


Im Zuge der europäischen Klimapolitik rückt die Nutzung industrieller Abwärme zunehmend in den Fokus, um eine wettbewerbsfähige europäische Industrie und Kreislaufwirtschaft zur Erreichung der Klimaneutralität aufzubauen. Der Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen steht dabei im Einklang mit der strategischen Ausrichtung der EU-2050-Agenda und unterstützt insbesondere zwei Kernvorgaben der EU-2030-Agenda: die Steigerung der Energieeffizienz um mindestens 32 % sowie die Reduktion von Treibhausgasemissionen um 40 %.

Die folgenden europäischen Richtlinien und Strategien bilden im Wesentlichen den regulatorischen Rahmen für die industrielle Abwärmenutzung und schaffen gezielte Anreize für deren Umsetzung:

1. Energieeffizienzrichtlinie (EED)


Die EED verpflichtet EU-Mitgliedstaaten, industrielle Abwärmequellen systematisch zu erfassen und Rahmenbedingungen für deren Nutzung zu schaffen. Dazu gehören die Wärmerückgewinnung in Industrieanlagen, die Einspeisung von Abwärme in Wärmenetze sowie Effizienzstandards für neue Anlagen.

2. Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III)


Industrielle Abwärme wird in RED III zwar nicht explizit als erneuerbare Energiequelle definiert, ihr systemischer Beitrag zur Dekarbonisierung wird jedoch anerkannt:

  • Anrechenbarkeit auf Erneuerbaren-Ziele: Abwärme kann auf nationale Erneuerbaren-Quoten angerechnet werden, wenn sie in Fernwärmesystemen genutzt wird und fossile Brennstoffe ersetzt (Art. 2(2)).
  • Einbindung in Wärmenetze: RED III fördert die Integration von Abwärme in Fernwärmesysteme als Teil einer nachhaltigen Wärmeversorgung (Art. 24).
  • Hybridsysteme: Kombination von Abwärme mit erneuerbaren Energien wird unterstützt..
  • Wärmepumpenförderung: Technologien zur Abwärmeveredelung, wie Industriewärmepumpen, sind förderfähig.
  • Power-to-Heat-Rahmen: RED III schafft Rahmenbedingungen für die Nutzung von erneuerbarem Strom zur Wärmeerzeugung, auch in Verbindung mit Abwärmequellen.

RED III bietet somit energieintensiven Industrien konkrete Anreize zur Abwärmenutzung – etwa durch den Verkauf von Wärme an externe Netze, Einsparungen im EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) sowie den verbesserten Zugang zu Fördermitteln.

3. EU-Strategie zur Integration des Energiesystems

 

Die EU-Strategie zur Integration des Energiesystems (2020) verfolgt das Ziel, verschiedene Energieverbrauchssektoren – insbesondere Industrie, Gebäude und Mobilität – stärker miteinander zu verknüpfen (Sektorenkopplung). In diesem Zusammenhang wird industrielle Abwärme als kostengünstige und nachhaltige Energiequelle hervorgehoben. Die Strategie konkretisiert und ergänzt zentrale Vorgaben der Energieeffizienzrichtlinie (EED) sowie der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III), indem sie eine verbesserte Nutzung industrieller Abwärme systemisch in die Energieinfrastruktur integriert.

4. EU-Industriestrategie


Die Industriestrategie der EU (aktualisiert 2021) zielt auf den Aufbau einer resilienten, wettbewerbsfähigen und klimaneutralen Industrie ab. Sie erkennt die Bedeutung zirkulärer Prozesse an, zu denen auch die Nutzung industrieller Abwärme zählt. Durch gezielte Förderung von Innovationen sowie Infrastrukturinvestitionen unterstützt die Strategie die Entwicklung und Verbreitung technischer Lösungen zur effektiveren Erfassung und Nutzung von Abwärme in industriellen Prozessen.


Abbildung 6: EU-Richtlinien und Strategien zur Förderung der Abwärmenutzung. © GIG Karasek

 

Förderprogramme zur Abwärmenutzung in der Industrie

 

Neben verschiedenen EU-Programmen bieten auch viele Mitgliedstaaten nationale Förderprogramme, die finanzielle Anreize zur Dekarbonisierung industrieller Prozesse schaffen. Deutschland nimmt hierbei mit dem Bundesförderprogramm „Klimaschutzverträge“ eine führende Rolle ein und fördert großflächig die industrielle Abwärmenutzung in energieintensiven Sektoren. Im Rahmen dieses Programms werden insbesondere Maßnahmen zur Dekarbonisierung von Prozesswärme unterstützt, wie der Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen, Abwärme-Rückgewinnungs-systemen und erneuerbaren Energien.

In der ersten Förderrunde wurden 2,8 Milliarden Euro an 15 Unternehmen vergeben – darunter BASF für die weltweit größte industrielle Wärmepumpe mit 50 MW Leistung, die von GIG Karasek realisiert wird und Abwärme aus einem Steamcracker in CO₂-freien Prozessdampf umwandelt. Die zweite Förderrunde ist bereits in Vorbereitung. Neu ist die Förderung von Industriedampf aus Abwärme sowie eine erleichterte Zugänglichkeit für den Mittelstand. Weiters wird die Förderung auf CCU/S-Vorhaben ausgeweitet, ein Bereich, in dem GIG Karasek mit der ECO2CELL-Umwandlungs-technologie ebenfalls tätig ist.

Abbildung 7: Übersicht relevanter Förderprogramme auf EU-Ebene sowie in Österreich und Deutschland für Investitionen in energieeffiziente Technologien wie industrielle Abwärmenutzung und Wärmepumpen. © GIG Karasek

 

Das Dilemma nachhaltiger Investitionen in kurzfristigen Planungshorizonten

 

Unternehmen sehen sich oft einem Spannungsfeld gegenüber, in dem kurzfristige Profitinteressen mit langfristigen Nachhaltigkeitszielen in Einklang gebracht werden müssen. Traditionelle Anreizsysteme, die auf quartalsweise Finanzkennzahlen ausgerichtet sind, führen häufig zu einer systematischen Benachteiligung nachhaltiger Technologien. Dieses Problem wird durch die typische Rotation von Führungskräften verstärkt, deren Amtszeiten häufig kürzer sind als die Amortisationszeiträume von Nachhaltigkeitsinvestitionen.

Die Lösung erfordert einen dreidimensionalen Ansatz:

  1. Mindset-Transformation durch gezielte Sensibilisierung der Entscheidungsträger für den strategischen Wert nachhaltiger Technologien.
  2. Anreizsystem-Neugestaltung, die langfristige Nachhaltigkeitskennzahlen gleichberechtigt mit finanziellen Zielen verankert.
  3. Governance-Reform, bei der Aufsichtsräte und Eigentümer als Treiber der Transformation wirken.

Erst die Synergie dieser Maßnahmen ermöglicht es, das volle Potenzial nachhaltiger Investitionen zu heben - sowohl in ökologischer als auch in ökonomischer Hinsicht. Unternehmen, die diesen Wandel erfolgreich gestalten, schaffen damit nicht nur ökologischen Mehrwert, sondern positionieren sich langfristig wettbewerbsfähig in einer sich transformierenden Wirtschaftswelt.

 

Fazit: Abwärmenutzung im Wandel - Vom Nice-to-have zum strategischen Muss


Vor dem Hintergrund strukturell hoher Energiepreise und verbindlicher Klimaziele wird die industrielle Abwärmenutzung zum strategischen Erfolgsfaktor. Industriewärmepumpen bieten dabei sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile: Sie reduzieren CO₂-Emissionen, senken Energiekosten und stärken die Versorgungssicherheit durch eine Verringerung der Importabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Mit technologischen Fortschritten – etwa der Bereitstellung von Prozesswärme bis 200 °C – und einem zunehmend stringenteren regulatorischen Rahmen (EED, RED III, EU-Energiesystemstrategie) entwickelt sich der Einsatz industrieller Wärmepumpen zur Schlüsselmaßnahme für eine nachhaltige, wettbewerbsfähige Industrie.

In den folgenden Beiträgen werfen wir einen genaueren Blick auf die Unterschiede zwischen offenen und geschlossenen Wärmepumpensystemen sowie die innovativen Wärmepumpenlösungen von GIG Karasek, die Prozessdampf bis 215 °C erzeugen und sich auch für die Bündelung kleinerer Abwärmeströme eignen.


1 Treibhausgasemissionen nach Ländern und Sektoren (Infografik). (2025). Europäisches Parlament. https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20180301STO98928/treibhausgasemissionen-nach-landern-und-sektoren-inf

2 Eurostat (2023). Final energy consumption by sector. Europa.eu. https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/ten00124/default/table

3 Turek, V., Kilkovský, B., Daxner, J., Babička Fialová, D., & Jegla, Z. (2024). Industrial waste heat utilization in the European Union—an engineering-centric review. Energies, 17(9), 2084. https://doi.org/10.3390/en17092084

4 Pennartz F. An all-electric sustainable slaughterhouse, relying on heat pumps for its heat. Dutch Heat Pumping Technologies Journal 2017;2.

5 de Boer, R., Marina, A., Zühlsdorf, B., Arpagaus, C., Bantle, M., Wilk, V., Elmegaard, B., Corberán, J., & Benson, J. (2020). Strengthening Industrial Heat Pump Innovation: Decarbonizing Industrial Heat. https://orbit.dtu.dk/en/publications/strengthening-industrial-heat-pump-innovation-decarbonizing-indus

6 Europe’s new Emissions Trading System expected to have world’s highest carbon price in 2030 at €149, BloombergNEF forecast reveals. (2025). BloombergNEF. https://about.bnef.com/blog/europes-new-emissions-trading-system-expected-to-have-worlds-highest-carbon-price-in-2030-at-e149-bloombergnef-forecast-reveals/

7 Wambach, A. (2025). Die meisten sind auf diese Preise nicht vorbereitet. zew.de. Abgerufen 3. April 2025, von https://www.zew.de/das-zew/aktuelles/die-meisten-sind-auf-diese-preise-nicht-vorbereitet

8 EU emissions trading system (EU ETS). Climate Action. https://climate.ec.europa.eu/eu-action/eu-emissions-trading-system-eu-ets_en

9 Bianchi et al. (2019). Estimating the waste heat recovery in the European Union Industry. Energy, Ecology & Environment, 4(5), 211–221. https://doi.org/10.1007/s40974-019-00132-7

10 Papapetrou et al. (2018). Industrial waste heat: Estimation of the technically available resource in the EU per industrial sector, temperature level and country. Applied Thermal Engineering, 138, 207–216. https://doi.org/10.1016/j.applthermaleng.2018.04.043

11 Sun, T. (2024). Abschätzung des industriellen Abwärmepotenzials in Deutschland. zukunftsfabrik. https://www.fraunhofer-zukunftsfabrik.de/?p=4836

12 Töpfer, K. (2023). Industrial Excess Heat - Erhebung industrieller Abwärmepotentiale in Österreich. Energieforschung. https://energieforschung.at/projekt/industrial-excess-heat-erhebung-industrieller-abwaermepotentiale-in-oesterreich/

13 Dryficiency. Ait.ac.at. Abgerufen 3. März 2025, von https://dryficiency.eu/home

14 Ko   B, Cerutti A, Duerr M, Iancu A, Kona A, Janssens-Maenhout G. JRC Technical Reports: Covenant of Mayors for Climate and Energy: Default emission factors for local emission inventories. 2017. https://doi.org/10.2760/290197.

15 Fleiter T, Elsland R, Rehfeldt M, Steinbach J, Reiter U, Catenazzi G, et al. Heat Roadmap Europe. Deliverable 3.1: Pro le of heating and cooling demand in 2015. 2017.

16 Rehfeldt M, Fleiter T, Toro F. A bottom-up estimation of the heating and cooling demand in European industry. Energy E ciency 2018;11:1057–82. https://doi.org/10.1007/s12053-017-9571-y

17 Marina et al. (2021): An Estimation of the European Industrial Heat Pump Market Potential. Renewable and Sustainable Energy Reviews 139, 110545. https://doi.org/10.1016/j.rser.2020.110545

18 Agora Industrie, FutureCamp (2022). Power-2-Heat: Erdgaseinsparung und Klimaschutz in der Industrie. Agora-industrie.de. https://www.agora-industrie.de/publikationen/power-2-heat